Dann sollen sie halt krachen…

Meine attraktive Arbeitskollegin, die hat gut reden, darf überlegen lächelnd in den Spiegel schauen, kann sich womöglich ins Fäustchen lachen. Beine, doppelt so lang wie der Oberkörper, volle straffe Brüste, Wespentaille. Und das mit 50! Aphrodite lässt grüssen.
Von Susi bin ich (41) figürlich ungefähr so weit entfernt wie ein Trabi von einem Alfa Romeo. Haxen kurz – Beine lang; Busen unten – Busen oben; Taille weg – Taille schmal. Unfassbar ungerecht. Ist doch wahr…

Seit Susi bei uns angefangen hat, geben sich die geifernden Kunden die Klinke in die Hand, der Umsatz – so wird gemunkelt – habe sich infolgedessen innert drei Monaten verdoppelt. Mann ist nun mal simpel gestrickt – in diesem Fall aber absolut profitabel: für die Sabbernden und die Firma. Eine Win-win-Situation. Für mich nicht!

Was mich aufhorchen lässt: Besänftigungsversuche stammen meist von Menschen, die wie gemalt daherkommen, eine Augenweide und so richtig zum Anbeissen sind. Ohne sich aufbrezeln zu müssen wohlverstanden. Könnte es sein, dass derlei Beschwichtigungen den tröstenden Beaus und Beautys dazu dienen, dem Olymp der Schönheit noch näher zu kommen? Wer gegen unten tritt, steigt bekanntlich höher. Aber wahrscheinlich übertreibe ich masslos, sehe Gespenster, bin das Produkt einer gewichtsbedingt fehlgeleiteten Eingebung – keine Ahnung.
Einige Bekannte, Fans und ehemalige Lebensabschnittspartner meinen es sicher ganz lieb: «Kopf hoch!» – «Also, eine Bekannte meiner Omi ist noch…» – «Die inneren Werte zählen.» Aber stopp jetzt mal: Was nützen mir die inneren Werte, wenn sie körperflächendeckend von 2-5 cm (variiert!) subkutanem Fett bedeckt sind? Wenn mein Bindegewebe orangengleich vor sich her schwabbelt? Eben!

Natürlich sind meine Pfunde nicht über Nacht gekommen und haben gesagt «Hallo – da sind wir, let's rock!», sondern sie schlichen sich gemein gemächlich an, setzten sich nach und nach fest. Eine hinterhältige Inbesitznahme, die es mir lange, lange, lange erlaubte zu verdrängen. So war’s jedenfalls bei mir.

Das Beiseiteschieben von «eigentlich» Unübersehbarem verdünnisierte sich (paradox, das Wort…) dann aber traumatisch. Eines Nachts, vor rund zwei Jahren, drehte ich mich im Bett auf die andere Seite. Meine Brüste folgten mit ca. 0,5 Sekunden Verzögerung und krachten nahe am Kopf meines Freundes, der friedlich und wohl sorgenfrei schlief (wovon er so träumt, will ich gar nicht wissen), auf die Decke. Er erwachte nicht. Ich schon – und engagierte am Folgetag einen engagierten Personal Trainer.

«Monsieur général culturisme» aus Mulhouse schätzte meine wahrscheinliche Wartezeit bis zur Wohlfühlfigur auf ca. ein Jahr – nur bei dreimaligem Intensivtraining pro Woche allerdings. Das ist sein Timing für «des cas particulièrement difficiles»…

Mit einem «Dine Figür isch dodal verhünzt, Maidle» bereitete er mich taktvoll feinfühlig auf das vor, was da noch kommen würde…

Bei einem Stundenansatz von 100 Fränkli zugunsten meines durchtrainierten elsässischen Kraftpakets nahm mein Sparkontostand (das Weggelegte nur für «Notfälle») fadengerade ab. Ich nicht.

Meine erste Zwischenbilanz («Lüege mer doch emöl…») nach drei Monaten verschärftem Walking, gefühlten 5 Millionen Frauenliegestützen (ja, die gibt’s), Situps, Climbers, Kettlebell-Schwingen, Lunges und dergleichen: BMI von 31 auf 30,00005; Gewicht von 85,5 auf 84,9 kg!!!!! Erstaunen, Ernüchterung, Entsetzen! Nicht so mein Peiniger: «Des isch hald ebe nörmal wegä de Müsgülatür.» Ja, merci beaucoup!

Seit diesem schweisstreibenden Fehlschlag, dieser kalten Dusche unter erhöhter Körpertemperatur bleibe ich halt so, wie ich bin. Die Brüste donnern mit immer höherer Frequenz hinterher, die Orangen erobern nach dem Oberschenkel- und Gesässbereich nun auch andere Körperregionen, die Waage steht im Keller…

Aber: Mein Freund küsst mich trotzdem. So schlimm kann es also doch nicht sein.